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Österreichische Gebärdensprache (ÖGS)

Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist eine in Österreich anerkannte Minderheitensprache. Es handelt sich um eine natürliche Sprache, die eine räumlich-simultane Modalität nutzt. Der Status als Minderheitensprache musste über lange Zeit erkämpft werden und trotz dieses Status' wurde genaueres bis heute kaum offiziell geregelt.

Drei Personen neben einander die Gemeinsam "ÖGS" gebärden. Die Frau links gebärdet ein O, die Frau in der Mitte ein G und der Mann rechts ein S.

(c) Kerstin Reiger/ÖGLB

"Wir verfügen dabei nicht nur über linguistische Evidenz für die These, dass es sich bei Gebärdensprachen um natürliche Sprachen mit einer den Lautsprachen vergleichbaren Komplexität handelt, sondern auch über Forschungsergebnisse aus den Neurowissenschaften, die diesen Befund nachhaltig stützen. Auch unter neurowissenschaftlichen Gesichtspunkten sind Gebärdensprachen als natürliche Sprachen anzusehen."

Ludwig Jäger 2003: 93

Gebärdensprachen
Unterschiede der Modalität

Wie auch aus dem Zitat ersichtlich, sind Gebärdensprachen ebenso natürliche Sprachen, wie auch ein Großteil der Lautsprachen. Es gibt keine genauen Angaben zur Zahl der ÖGS-Sprecher:innen. Geschätzt wird, dass diese bei etwa 8000-10.000 Sprecher:innen liegt (De Cillia 2020: 83; Dotter, Krausneker, Jarmer & Huber 2019: 210). Offiziell sind weltweit nur 138 Gebärdensprachen anerkannt und dokumentiert (De Meulder, Krausneker, Turner & Conama 2019: 208). Die inoffizielle Zahl übersteigt diese jedoch enorm, denn einige Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass ähnlich wie auch Lautsprachen zwischen 6000 und 7000 Gebärdensprachen existieren (Skutnabb-Kangas 2000). "Gebärdensprachen sind nicht - wie etwa Wundt angenommen hatte - nur leicht variierte, universelle Verständigungsmittel, die über einzelsprachliche Sprechergemeinschaften hinweg weithin problemlose Verständigung ermöglichten", sondern sind "Sprachen im strengen definitorischen Sinne, die sich bereits über lange Zeiträume hinweg natürlich entwickelt haben" (Jäger 2003: 23). Der Unterschied zwischen Lautsprachen und Gebärdensprache liegt rein in ihrer Modalität, also darin, wie kommuniziert wird. Während Lautsprachen vokal-akkustisch und zeitlich linear geordnet sind, unterliegen gestisch-visuelle Gebärdensprachen räumlich-simultanen Organisationsprinzipien" (Jäger 2003: 93). Obwohl die ÖGS eine natürliche Sprache ist, gibt es eine relativ kleine Gruppe, die sie auch als Muttersprache erworben hat. Ein Grund dafür ist, dass ein großer Teil der gehörlosen Kinder hörende und nicht gebärdende Eltern haben (De Meulder, Krausneker, Turner & Conama 2019: 208).

Sprachenpolitische Entwicklungen
Anerkennung als Minderheitensprache

Erste Schulen für gehörlose Schüler:innen gab es bereits 1779 im Herrschaftsgebiet der Habsburgermonarchie (vgl. Dotter, Krausneker, Jarmer & Huber 2019: 216). Diese Praktik hielt sich jedoch nicht und die ÖGS wurde aus den Schulen verdrängt. Auch heute ist Unterricht in ÖGS eine Ausnahme und nur wenigen gehörlosen Schüler:innen in Österreich zugänglich (vgl. Dotter, Krausneker, Jarmer & Huber 2019: 216). Unter anderem liegt dies daran, dass die ÖGS lange Zeit nicht als „natürliche“ Sprache angesehen wurde und wird. Das sieht man auch in den kontinuierlichen Bemühungen, die unternommen werden mussten, bis die ÖGS im Jahr 2005 als Minderheitensprache in die österreichische Verfassung aufgenommen wurde (vgl. De Cillia 2020: 45). Die Aufnahme in die Verfassung kann auch aus heutiger Sicht als rein symbolische Politik eingestuft werden, da die Verfassung lediglich folgendes angibt: „Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nähere bestimmen die Gesetze.” (RIS 2022). Weitere Gesetze wurden nie erlassen. Services, die gehörlosen Menschen heute zur Verfügung stehen haben sich in den allermeisten Fällen aus freiwilligen Angeboten entwickelt (vgl. De Meulder, Krausneker, Turner & Conama 2019: 219) .

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